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Burnout und Achtsamkeit von Michael E. Harrer

Buchrezension

Michael E. Harrer, Klett-cotta, 2013

Dieses Buch kommt gerade zur richtigen Zeit. Es verknüpft laut Klappentext „zwei hochaktuelle Trends: die steigende Häufigkeit von Stress und stressbedingten Erkrankungen bis hin zum Burnout und die zunehmende Sehnsucht nach Entschleunigung“ in einer sehr gelungenen Zusammenfassung von Begriffsklärungen, den wichtigsten Forschungen zu den beiden Themengebieten und der Beschreibung sehr konkreter, im Alltag gut einsetzbarer Übungen.

Arbeitsblätter und Audio-Dateien mit den Übungsanleitungen sind gratis von der Homepage des Verlages downloadbar: Link Zusatzmaterialien..

Daher ist es sowohl für Betroffene, deren Angehörige, wie auch für Führungskräfte und Personalverantwortliche in Unternehmen eine lesenswerte und aufschlussreiche Lektüre.

Das Kapitel über Burnout umfasst die vielen Gesichter des Burnouts: Das „Innenleben“, körperliche Symptome, die Wirkungen auf das Verhalten der Betroffenen wie Ruhelosigkeit, Suchtverhalten (Essen, Trinken, Medikamente, …), Risikoschub, (berufliche) Unzufriedenheit, Motivationsverlust, Ansteigen der Fehlerquote, Überforderung, letztlich die schädigende Auswirkung dieser Entwicklung auf die bestehenden beruflichen und persönlichen Beziehungen. Die Beziehungen können nicht mehr als Ressource und Kraftquelle gesehen werden, sondern werden zur Belastung.

Übereinstimmend wird in der Forschung die Entwicklung des Burnout in Stadien bzw. als Prozess beschrieben, der so gut wie immer mit dem Überengagement beginnt. Hohes Engagement ist sozial erwünschtes Verhalten und wird selten problematisch gesehen und daher sozial verstärkt. Relativ rasch schreitet die Entwicklung voran: Emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung und reduzierte Leistungsfähigkeit sind die Komponenten.

Der Autor fasst sehr klar, verständlich und übersichtlich die Forschungen zu diesem Thema zusammen (Freudenberger, Maslach, Siegrist, u.a.).

Das Modell der „beruflichen Gratifikationskrisen“ (S. 36 ff) erfasst Burnout als Ungleichgewicht zwischen Leistung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin und der Gegenleistung des Arbeitgebers/ der Arbeitgeberin. Relevant sind nicht nur Lohn und Gehalt, „ebenso wichtig sind nicht-materielle Gratifikationen in Form von Wertschätzung, Anerkennung des Geleisteten durch Vorgesetzte“. Gemeinsam mit der Sicherung des sozialen Status, den Entwicklungs- und Aufstiegschancen, sowie der Arbeitsplatzsicherheit begünstigen sie in Organisationen die Burnoutentstehung.

Die Analyse beschränkt sich außerdem nicht nur auf die persönlichen und beruflichen Risiken einer Burnout-Entwicklung, sondern nimmt auch Stellung zu gesellschaftlichen Faktoren, darunter: Ausweitung des Dienstleistungssektors, Konkurrenz und Rationalisierungsdruck, Forderung nach immerwährender Flexibilität, zunehmender Einfluss digitaler Informationstechnologie, Veränderung der Alterspyramide, die Beschleunigungsfalle, generell das zunehmende Lebenstempo.

Die Vorbeugung bzw. Behandlung von Burnout erfolgt auf zwei Wegen: das Minimieren von Belastungen und Risikofaktoren auf der einen Seite und der Blick auf die Gegenpole auf der anderen Seite: Engagement und Flow-Erleben, das die Fähigkeit zum Schaffens“rausch“, die Lust am Tun und die Freude an den Ergebnissen beschreibt. Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl sind weitere zentrale Aspekte in der Vorbeugung von Burnout-Entwicklungen. Wer gut für sich sorgt, seine Bedürfnisse wahrnimmt, wer erkennt, dass er/sie schon körperliche oder seelische Beschwerden hat, der kann entsprechend reagieren.

Praxis der Achtsamkeit

Hier setzt nun die Achtsamkeit an: die Praxis der Achtsamkeit führt zum Gegenteil von dem, was Burnout kennzeichnet: Der Erschöpfung steht die Kultivierung von innerer Ruhe und Gleichmut als Kraftquelle gegenüber. „Statt zu fliehen, hält man inne, um zu bemerken, was ist, statt sich zynisch zu verschließen, kann man sich wohlwollend öffnen, anstatt sich selbst zu vergessen, erinnert man sich an seinen Körper und seine Bedürfnisse“ (S.93 ff).

Die Praxis der Achtsamkeit kommt aus der buddhistischen Philosophie und ist eine Lebenshaltung und keine neue Entspannungstechnik. Sie hat in angepasster Form Eingang in die Behandlungskonzepte vieler psychosomatischer Kliniken, insbesondere in die Behandlung von Burnouterkrankten, aber auch in die Behandlung von Krebserkrankten gefunden und zeigt hier ihr Potenzial. Die positive Wirkung von achtsamkeitsbasierten Verfahren wurde vielfach beforscht (siehe auch: Jon Kabat-Zinn).

Die Praxis der Achtsamkeit lässt sich - kurz zusammengefasst - so beschreiben:

Man unterscheidet die formale und die informelle Praxis. Die formale Praxis besteht im strukturierten täglichen Üben, die informelle Praxis besteht im Ausführen einer alltäglichen Handlung mit Achtsamkeit (z.B. das Zähneputzen). Zunächst wird geübt, in aufmerksamer Haltung (aufrechte Sitzhaltung) den Körper und den Atem wahrzunehmen, der Atem ist die wesentliche Hilfe, ins Hier und Jetzt zu kommen. Das Beobachten von Gefühlen regt innere Gleichmut und Mitgefühl an. Gedanken, innere Bilder und Erinnerungen sind die nächste Stufe der Beobachtung und Wahrnehmung.

Die einzelnen Übungen: die Atembeobachtung, der Body-Scan – das Durchwandern des Körpers mit der ganzen Aufmerksamkeit, sowie einfachen Yoga-Übungen sollen im Alltag abwechselnd praktiziert werden. Dazu gibt es im Gratisdownload von Klett-cotta Übungsanleitungen und Arbeitsblätter. Einige Arbeitsblätter unterstützen bei der Selbstreflexion in Richtung „Wertebewusstsein“, emotionaler Grundbedürfnisse, bei der Gewichtung von Lebensbereichen und Rollen, bei der Analyse von Stressdynamiken, etc.

Der Achtsamkeit am Arbeitsplatz mit den fundamentalen Aspekten des persönlichen Umgangs mit Grenzen und der Balance zwischen Familie, persönlichem Leben und dem Beruf, der Achtsamkeit in Beziehungen mit dem Aspekt der achtsamen Kommunikation, dem Ausgleich von Geben und Nehmen und dem Aspekt des Kultivierens von Glück, Freude und Genuß wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Die Bausteine der Prävention und Behandlung in achtsamkeitsbasierten Programmen haben folgende Inhalte:

  1. Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung: Wahrnehmung des Körpers und der Gefühle sind die Voraussetzujng dafür, schädigende Entwicklungen zu erkennen
  2. Beachtung körperlicher Grundbedürfnisse (genügend Schlaf, Regeneration, frische Luft, etc.)
  3. Entspannungstraining: Progressive Muskelentspannung, Yoga, Tai Chi, u.a.
  4. Stressmanagement: Erkennen persönlicher Stressmuster
  5. Training sozialer, kommunikativer und emotionaler Kompetenzen („Inneres Team“, Kommunikationsmodell von Schultz von Thun, …)
  6. Abbau unrealisitischer Erwartungen an die eigene Leistungsfähigkeit - funktioniert nur mit Rollenklärung und einem realistischen Zeitmanagement
  7. Neugewichtung der Lebensbereiche und Rollen mit der Reflexion von Werten
  8. die Anwendung achtsamkeitsbasierter Verfahren
  9. Psychotherapie und Supervision oder Coaching
  10. Förderung von Gesundheit und Schutzfaktoren (Erholung, Nutzung der Freizeit als Freizeit, Abschalten von der Arbeit, etc.)
  11. Psychopharmakotherapie
  12. organisationsbezogene Ansätze

Im letzten Kapitel der salutogenetischen Perspektive wird noch auf die Aspekte der Gesundheitsentwicklung nach Aaron Antonovsky Bezug genommen. Diese Aspekte lassen sich hervorragend ins organisationale Leben und in Aspekte des Gesunden Führens übersetzen – doch dazu in einem anderen TAO-Newsletter…!

Das Buch ist eine gelungene Zusammenfassung des Wissens über Burnout und seine Entstehung sowie der aktuellen Literatur zu Achtsamkeit in der Burnoutbehandlung. Dem praktisch veranlagten Leser mag die umfassende Aufzählung von Studien zu viel sein, gleichzeitig lädt eine Fülle von praktischen Übungen und Material zum Anwenden ein.

Weiterführende Literatur dazu:

zwei tolle, informative Seiten des Psychiaters und Psychotherapeuten Michael E. Harrer.

 

Carola Kaltenbach, www.tao.co.at



Michael E. Harrer: Burnout und Achtsamkeit, Klett-cotta 2013

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