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Beruf und Familie !?!

Letzthin wurde ich von einem Bekannten gefragt, ob meine Frau bereits wieder arbeite (oder ob sie noch zuhause bei den Kindern sei). Auf meine Antwort, dass sie derzeit mehr arbeitet als zu ihren Zeiten als Vollerwerbs-Managerin, aber viel schlechter dafür bezahlt wird, erntete ich zuerst unverständiges, dann mitleidiges Lächeln.

Arbeit ist in unseren Breiten immer noch vorrangig mit dem Begriff der erwerbstätigen Arbeit verbunden. Dies zeigt sich auch daran, dass viele (berufstätige) Menschen ihren Selbstwert und oft auch ihre Identität zum großen Teil über eben diese erwerbstätige Arbeit definieren. Ich kenne sehr wenige Menschen, die sich bei einem Kennenlernen mit “… ich bin Vater von drei Kindern, engagiere mich in der Gemeinde, interessiere mich für nachhaltiges Wirtschaften und die Erziehung und Ausbildung der nachfolgenden Generationen ist mir ein politisches Anliegen …“ vorstellen.

Viel eher erlebe ich, dass nach dem Nennen des Namens die Funktion und das Unternehmen präsentiert werden – sei es verbal oder durch das Überreichen der obligaten Visitenkarte. Vor allem Männer, die in unserer Gesellschaft als erfolgreich gelten, beziehen einen Großteil ihres Selbstwert aus der Anerkennung im Beruf. Und in dem Moment, wo der Beruf nicht oder nur mehr eingeschränkt ausgeübt werden kann (sei es aufgrund der geringen Arbeitsauslastung in der derzeitigen Krise oder krankheitsbedingt), sind insbesondere diese Menschen gefährdet, in eine Sinnkrise zu schlittern.

Tatsächlich wird ein Großteil unserer wach erlebten Zeit im Beruf verbracht. Die Wichtigkeit im Beruf wird oft durch ein öffentlich gezeigtes Stöhnen „momentan stehe ich wieder voll im Stress“ unterstrichen. Diese Aussage hat eine hohe soziale Wünschbarkeit und wird gesellschaftlich durchwegs positiv konnotiert. Damit entspricht der, der dieses Lebensgefühl äußert, vollkommen den Erwartungen der Leistungsgesellschaft. Die Anforderungen an Menschen im Berufsleben steigen, eine erhöhte Mobilität wird als selbstverständlich erachtet, die Bereitschaft zum vollen Einsatz für den Job gilt als Grundvoraussetzung und dass die Stelleninhaber mit der zunehmenden Beschleunigung des Wirtschafts- und Arbeitslebens klar kommen, gilt als eine Überlebensvoraussetzung.

In Zeiten der Hochauslastung war es auch durchaus üblich, sich Arbeit mit nach Hause zu nehmen und am Abend und an Wochenenden noch „kurz die mails zu checken“ oder ein Konzept „noch kurz fertigzustellen“. Diese Anforderungsvielfalt fordert(e) natürlich auch in den Familien ihren Tribut. In den Statistiken der letzten drei Jahrzehnte lassen sich sinkende Geburtenraten und steigende Scheidungsziffern ablesen und die „Normfamilie“ hat heute ein ganz anderes Aussehen als das in den 60er und 70er Jahren der Fall war: zunehmend mehr sind die klassischen Familienmuster in den Hintergrund getreten zugunsten von Konzepten der „Lebensabschnitts- Partnerschaften“ und der Patchwork-Familien, auch die Anzahl der die Ein- Personen-Haushalte ist seither ständig gestiegen.

Für die nachkommenden Generationen hat sich die „Vaterlose Gesellschaft“ , die Alexander Mitscherlich 1963 proklamiert hat, nicht wesentlich verändert. Jahrzehnte nach Ende des zweiten Weltkriegs sind die Väter nicht deshalb für ihre Kinder unverfügbar, weil sie in der Schlacht fallen, sondern sie sind absent und abstinent, weil sie in den Niederungen des „Wirtschaftskrieges“ der jeweiligen Epoche verschwinden.

Betrachtet man die traditionellen Funktionen der Familie mit den Aufgaben der Reproduktion, der Daseinssicherung und (Selbst)Erhaltung, dem emotionalen Spannungsausgleich und der gegenseitigen emotionalen Unterstützung sowie der Sozialisierung der nachwachsenden Generation und der sozialen Platzierung des Nachwuchses, so ist in den letzten Jahren die dafür zur Verfügung stehende (restliche) Zeit kontinuierlich gesunken. Vermutlich haben sich nicht zuletzt auch deshalb zunehmend mehr Paare entschieden, freiwillig kinderlos bleiben zu wollen und auf die berufliche Karriere zu setzen.

Helmut Kaspar hat 2002 (Managen und Lieben. Führungskräfte im Spannungsfeld zwischen Beruf und Privatleben) das Verhalten von Führungskräften untersucht. Die Ergebnisse waren nicht wirklich überraschend: In der Regel waren bei Interessenskonflikten zwischen Privatinteressen und Firmeninteressen zum Großteil Entscheidungen zugunsten der Firma und zulasten der Familie zu verzeichnen.

Wenn wir diesen Gedanken weiterspinnen, dann können wir feststellen, dass die Bilder von Familienleben und Berufsleben immer weiter auseinanderklafften. Das beginnt bereits in unserer Vorstellung. Wir pflegen oft noch die Illusion, dass die Familie der Ort der Emotionen und der Zugehörigkeit sei, in dem vorrangig der Gefühlswelt Raum gegeben wird und dass die Arbeitswelt das Feld ist, in dem Rationalität vorherrscht. Oft können wir aber feststellen, dass die Berufswelt zunehmend mehr emotionalisiert wird, wir sprechen von Traumjobs, von „geilen Projekten“, wir fahren unsere Erfolge und Anerkennungen im Beruf ein. Damit geht einher, dass die Arbeit im subjektiven Erleben immer mehr erotisiert wird.

Im Gegenzug zeigt sich eine Versachlichungsfalle in der Familie: das Familienleben wird zunehmend zum Schauplatz organisatorischer Abstimmungen – wer bringt die Kinder in die Schule, wer geht zum Elternsprechtag, wer besorgt die Einkäufe für das Grillfest am Wochenende? Die Gefahr droht, dass das Familienleben auf die Organisation des täglichen Lebens reduziert wird. Die Kommunikation in der Familie wird nicht als entspannt, bereichernd und lustvoll erlebt, sondern als mühsam und schwierig. Wenn wir uns vor Augen führen, dass die durchschnittliche Gesprächszeit von Paaren, in denen es nicht um Organisationsangelegenheiten geht, im Schnitt täglich 7 Minuten beträgt, dann
wird das wahre Ausmaß dieses Auseinanderdriftens von Beruf und Familie deutlich. Wird nun in einem solchen Mindset mit Fokus auf die berufliche Orientierung das Gleichgewicht gestört, sei es durch Kurzarbeit, durch drohenden Jobverlust aufgrund von Personalreduktionsmaßnahmen, die die wirtschaftliche Existenz des Einzelnen bedrohen, so ist damit nicht nur eine maßgebliche wirtschaftliche Existenzangst verbunden, sondern auch das Hinterfragen der persönlichen Identität drängt sich auf. Wer bin ich denn noch, wenn ich meinen Job verliere, oder wenn ich weniger arbeite? Wie werde ich in der Gesellschaft gesehen? Bin ich in meine Familie integriert, oder bin ich ein Fremder, der
zwar die Familie finanziert, aber bei Anwesenheit nur die eingespielten Abläufe der restlichen Familienmitglieder stört?

In diesem Sinne denke ich, dass Krisen durchaus ein Anlass sind, kurz inne zu halten und – unabhängig davon, ob Sie aktuell von einer Krise in Ihrem Arbeitsverhalten, in Ihrer für die Arbeit aufgewendeten Zeit etc. betroffen sind oder nicht – einmal darüber nachzudenken, ob die Relation zwischen der Energie, die Sie für den Job aufwenden und der Energie, die Sie für die Familie aber auch für sich selbst aufwenden, noch im Gleichgewicht ist und ob diese Balance auch einer nachhaltigen Prüfung standhält. Wofür schlägt mein Herz, was ist mir wirklich wichtig und wieviel Zeit nehme ich mir dafür, diese Wichtigkeiten auch zu pflegen und weiterzuentwickeln? Und ist das, was ich aus meinen Lebensbereichen zurück bekomme ausreichend, dass ich eine positive Lebensbilanz ziehen kann? Oder sind meine Identität und mein Selbstwert gefährdet, wenn eine Säule – möglicherweise auch nur partiell – wegbricht. Können mich meine restlichen Säulen noch halten, oder bricht das Gehäuse meines persönlichen Selbstbildes zusammen?

Peter Weissengruber, www.tao.co.at

 

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