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Incognito - Fuehrung von unten betrachtet

Buchrezension

Klaus Doppler, Murmann, 2006. (Erstausgabe erschienen 1999 als "Dialektik der Führung")

„Schreiben statt Magengeschwüre. Ungefiltert, rücksichtslos meine Meinung sagen, statt wie bislang alles in mich hineinfressen. Ich hätte so viel mit Ihnen zu bereden. Aber Sie sind für mich wie mit einer Mauer umgeben. Ich sehe keine Chance, mit Ihnen in echten Kontakt zu kommen. Sie sind nicht nur mein Chef, Sie lassen es auch spüren …“

So beginnt unser Buchtipp für zwischedurch. Klaus Doppler, Urgestein der Organisationsentwicklungs-Szene, hat in einem fiktiven Tagebuch viele Episoden zusammengefasst, die er in Coachings mit seinen Klienten erlebt hat. Die Neuauflage von „Dialektik der Führung – Opfer und Täter“ von 1999 wurde um einen fünften Teil erweitert und heißt  nun „Incognito – Führung von unten betrachtet“.

Im ersten Teil des Buches beginnt der innere Dialog im Jahr 1988 mit oben zitierten Sätzen. Der Schreiber ist stark auf „die da oben“ fixiert, die an fast allem Schuld sind. Er fühlt sich von seinem Chef schlecht behandelt oder zumindest nicht verstanden. Immer wider seziert er das Verhalten seines Chefs und stellt ihn mit seinen Führungsfehlern und Verhaltensdefiziten erbarmungslos an den Pranger.

Im zweiten Teil – gut zweieinhalb Jahre später – beginnt der Mitarbeiter anders über seinen Vorgesetzten nachzudenken. Bevor er ihn verurteilt versucht er – fast neugierig – zu ergründen und zu verstehen, warum sich sein Vorturner so verhält, wie er sich verhält. Der Tagebuchschreiber beginnt zu erahnen dass sich sein Chef auch immer wieder in Entscheidungsnotständen und Dilemmata befindet und dass die jeweils gesetzten Handlungen nur aus der entsprechenden Perspektive heraus zu verstehen sind.

Weitere eineinhalb Jahre später beginnt der Mitarbeiter, sich selbst auf die Spur zu kommen. Zunehmend mehren sich Fragen nach dem Sinn des eigenen Tuns und seiner Rolle bezüglich der Übernahme von Verantwortung für allgemeine Missstände. Dem Schreiber beginnt zu dämmern, dass vieles, worüber er sich aufregt, weniger mit den anderen zu tun hat als vielmehr mit ihm selbst, seinem eignen Nicht-Wollen oder Nicht-Können.

Der vierte Teil beginnt im Frühjahr 1995 und die bisher gewonnenen Klarheiten scheinen langsam zu verschwimmen. Die Gewissheit nimmt zu, dass es für die meisten Dinge im Leben keine eindeutigen und endgültigen Lösungen gibt. Immer wieder muss experimentiert werden, neue Wege gesucht und gefunden werden, die Situation ist nie völlig klar und der Ausgang ist immer wieder völlig offen. Die Erkenntnis greift um sich, dass man dem Ergebnis seines Handelns nie mit sicherer Gewissheit entgegensehen kann, dass immer wieder Hoffen und Bangen mit im Spiel sind, ob die geplanten Vorhaben auch wirklich gelingen.

Das vierte Kapitel endet mit der Kehrseite des Gewinnens. Der Tagebuchschreiber philosophiert, dass er erzogen wurde, um sich durchzusetzen und zu gewinnen. Und er stellt sich die sehr persönliche Frage, ob er selbst zu den Gewinnern zählt, und woran er das eigentlich messen könnte. Am Einkommen? Am Erfolg? Aber was ist das, Erfolg? An der Anerkennung? An der Zuwendung? Was aber ist dann mit den Verlierern? Was ist damit, dass Siege auch Pyrrhussiege sein können? „…Sollte ein kluger Sieger seine Erfolge teilen mit denen, die davon betroffen sind? Sind Sieger, die das nicht tun, nicht nur dumm, sondern vielleicht sogar so etwas wie Sozialschmarotzer? Rührt von daher schon das eigenartige Gefühl von Musterschülern, etwas Unrechtes, etwas Ungebührliches zu genießen? Ahnen sie, dass sie sich auf Kosten anderer profilieren – und deshalb zu Recht von den nicht bevorzugten Mitschülern ausgegrenzt werden? Wenn ich noch weiter über dieses Thema nachgrüble, kommt mein ganzes restliches Wertegeflecht durcheinander.“

Nach einer Schreibpause von 1998 bis 2005 nimmt der Schreiber mit dem fünften Teil sein Tagebuch wieder auf. Mit Abstand betrachtet, sind die Themen die gleichen geblieben, aber ihre Brisanz hat sich dramatisch gesteigert. Es ist zunehmend wichtiger geworden, sich darüber klar zu werden, wie Führungshandeln aus der Perspektive derer, die geführt werden sollen, erlebt wird. Wer nicht entsprechend führt, treibt die guten Mitarbeiter aus dem Unternehmen und die anderen in die innere Emigration.

Hier noch zur Illustration der Tagebucheintrag vom Sonntag, 11. Juni 2006 (5 Uhr morgens): „Ich werde es in der Wirklichkeit nie erleben, aber ich verzichte nicht darauf, davon zu träumen: ein Umgang von Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern miteinander, der durchgängig von gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist – unabhängig von inhaltlichen Auseinandersetzungen, die immer wieder anstehen. Im Gegensatz zu den altbekannten Herrschaftsritualen und Demütigungen,
  • wenn die Chefsekretärin mal wieder zum Bollwerk für den Vorgesetzten wird, während ihr oben euch ganz selbstverständlich die Vorfahrt nehmt und euch erlaubt, jederzeit ohne Vorwarnung und Entschuldigung in jede Unterredung, die wir führen, einzubrechen,
  • wenn mal wieder einseitig überraschend Termine geändert werden oder man gebeten wird, ein paar Minuten im Vorzimmer oder in einem Nebenraum wie vorübergehend abgestellt zu warten,
  • wenn in mehr oder weniger sublimen Anspielungen deutlich gemacht wird, wie wichtig die Zeit von euch oben ist, wie bei Herrschern, die Audienzen gewähren, die man doch bitte sehr sparsam nur in Anspruch nehmen sollte, wodurch auch klar gemacht wird, wie unwichtig die eigene Zeit im Vergleich dazu ist – als ob man nicht wüsste, wie viel Zeit ihr auf dem Golfplatz verbringt, selbstverständlich immer nur im Interesse des Unternehmens, oder auf Lustreisen und Essenseinladungen,
  • wenn der Vorgesetzte ohne jede Rücksprache mit seinen Mitarbeitern seine Zeitplanung macht und seine An- und Abwesenheit organisiert, von diesen aber exakte vorherige Absprachen verlangt.

Mein Maßstab:

Gleiches Recht für alle, gleiche Augenhöhe im Umgang von allen mit allen. Ob unter solchen Gleichheits-Bedingungen alle noch Vorgesetzte sein wollen, lassen wir mal offen.“
Das Buch endet mit einer Reflexion über die Arbeit von Stabs- und Servicebereichen. Während die Bereiche, die nah am Kunden sind, ihren Erfolg über den Verkauf der Produkte bzw. Dienstleistungen definieren können, für die der Kunde zahlt, müssen die Stabs- und Servicebereiche viel sublimere Methoden anwenden. Ihr Maßstab ist einzig die Akzeptanz durch die Restorganisation. Und dafür muss eine ganze Menge getan werden. Häufig würde zwar weniger mehr bewirken, aber die Darstellung der Leistung wäre weniger beeindruckend. „… Insofern ist ‚Impressionsmanagement‘ vorprogrammiert. Weniger wäre zwar vielleicht durchaus mehr im Hinblick auf die Wirksamkeit, würde aber das Risiko in sich bergen, nicht aufzufallen. Also ist Masse vorprogrammiert. Ähnlich wie bei typischen Beraterpräsentationen: Die maximal drei entscheidenden Folien sind umhüllt von einem mindestens zwanzigfach größeren Foliensatz, damit alles nach was aussieht. Nur der wahre und selbstbewusste Künstler traut sich, auch für ein sehr kleines, eventuell sogar minimalistisches Bild sehr viel Geld zu verlangen.“

Das Buch von Klaus Doppler liest sich flott und schnell wie ein Kriminalroman oder auch so langsam wie ein philosophisches Werk. Es ist auch beides. Man(n/Frau) kann das Buch in einem Zug durchlesen und die Lebens- und Arbeitsgeschichte des Protagonisten mit verfolgen, oder man kann in dem Buch blättern, mit den Augen an einer Stelle hängen bleiben, diese lesen und darüber zu sinnieren beginnen, wie es einem selbst denn mit diesem Thema so geht – als Geführte/-r oder als Führende/-r. Auf alle Fälle eine lohnende Zwischendurchlektüre: Ein „must read“ für alle, die es noch nicht kennen. Für solche, die bereits die erste Fassung von 1999 kennen: es lohnt sich ein weiteres Mal.

Peter Weissengruber, www.tao.co.at

 

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