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Bedienanleitung für ein menschliches Gehirn

Buchrezension

Gerald Hüther, Verlag Vandehoeck & Ruprecht, 2005

Kaum eine Diskussion, die etwas auf sich hält, kommt derzeit ohne Hin- oder Verweis auf Erkenntnisse der modernen Neurobiologie aus; Grund genug also, Schriften von Hirnforschern einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Zunft ist Gerald Hüther, der bereits viele Bücher zu diesem Themenkomplex verfasst hat. Einen recht originellen Zugang findet er in der leicht lesbaren „Bedienanleitung für ein menschliches Gehirn“.

Dass unser Gehirn auch im Erwachsenenalter noch in hohem Maß strukturell formbar ist und damit seinem Besitzer Neu-, Um- und Verlernen auch im Alter ermöglicht, verwundert zwischenzeitlich vermutlich keinen einigermaßen auf der Höhe der Zeit befindlichen Leser mehr. Die These jedoch, dass das menschliche Gehirn weniger ein Denk- als vielmehr ein Sozialorgan ist, lässt aufhorchen und macht neugierig. Gleich das Ende vorweg: Hüther bezieht insbesondere auf den letzten Seiten Stellung zu gesellschaftlich relevanten Fragen und stellt die Bedeutung des Erwerbes „psychosozialer Kompetenz“ eindeutig vor den Ausbau weiterer Einzelkämpfer- und Nutzenmaximierer-Mentalitäten (vielleicht glaubt man ja Hirnforschern mehr als all den Denkern und Philosophen, die diese Maxime schon seit Jahrhunderten ausgeben).

Die Herleitungen für die Entwicklung des Gehirns...

...aus der Biologie sind recht anschaulich und kurzweilig zu lesen. Das Verhalten von Bandwürmern beispielweise erinnert an so manches menschliche Schicksal: „Erst benutzen sie ihr Hirn besonders schlau, um sich ein bequemes Leben zu machen und wenn sie das endlich geschafft haben, fangen sie an zu verblöden“ (S.34). Insbesondere der Vergleich eines Maulwurfs mit dem Menschen wird oft aufgerufen zur Illustrierung der zentralen These dieses Buches: Ob die vielen Möglichkeiten eines zeitlebens lernfähigen, komplex vernetzten menschlichen Gehirns genutzt und gezielt entwickelt werden hängt davon ab, wofür das Gehirn benutzt wird. Anders formuliert: Mit der Entscheidung, wie und wofür man sein Gehirn benutzen will, trifft immer auch die Entscheidung darüber, was für ein Gehirn man bekommt. Diese auf den ersten Blick vielleicht lapidare Formulierung hat es auf den zweiten Blick jedoch in sich, heißt das doch nicht weniger als dass wir die Verantwortung für den „Zustand“ unseres Gehirns unabwendbar tragen müssen und uns nicht einseitig auf die vorgefundenen Verhältnisse ausreden können.

Die für die Hirnentwicklung zuständige genetischen Ausstattung des Menschen hat sich seit etwa 100.000 Jahren nicht mehr geändert. Würde also ein früher Vorfahre des Menschen heute zur Welt kommen, „spräche er fließend Deutsch wie wir, hätte er gelesen, was wir heutzutage so lesen, könnte er sich auch noch in Englisch oder einer anderen Sprache mit Menschen aus anderen Kulturkreisen verständigen und austauschen und all das genauso gut oder schlecht wie wir heutzutage“ (S.64). Entscheidend sind also die Verhältnisse, in denen wir uns befinden und unsere Entscheidung unser Gehirn gut zu nutzen.

Zu einer positiven Nutzung unseres Gehirns gehört es demnach, dass wir so viel wie möglich an Wahrnehmung erfassen und mit den bereits vorhandenen Eindrücken verknüpfen. Wir sind angehalten es uns nicht leicht zu machen und uns immer wieder neuen Bedingungen aussetzen, die es uns ermöglichen neue Erfahrungen zu machen. Dies setzt voraus, dass wir ein Gleichgewicht herstellen müssen „zwischen Gefühl und Verstand, zwischen Abhängigkeit und Autonomie sowie zwischen Offenheit und Abgrenzung“ (S.106).

Der Autor betont im Kapitel „Optimal gelungene Installation“ (des Gehirns) die Bedeutung einer förderlichen sozialen Umgebung, in die ein Kind hineinwächst um gleichermaßen Wurzeln schlagen zu können wie Flügel auszubilden, mit denen es über die Grenzen und Beschränktheiten des Umfeldes hinwegfliegen kann. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse und Postulate erfahren hiermit eine neurobiologische Untermauerung.
Gefühlen wird eine maßgebliche Bedeutung beigemessen insofern als diese unabdingbar zugehörig zur Ausbildung der Potentialitäten eines menschlichen Gehirns gesehen werden. Insbesondere die Fähigkeit zur Kommunikation von Gefühlen und die Ausbildung von Empfindungsfähigkeit gelten als Schlüsselkompetenzen. Werden nur einseitig kognitive Fähigkeiten ausgebildet, bleibt das Gehirn eine Kümmerversion dessen, was daraus hätte werden können.

Wollte man die Empfehlungen Hüthers in diesem sehr lesenswerten und kompakten Buch komprimieren, könnte wohl folgende Passage (S. 120) als Quintessenz dienen: „Wer nicht in seinen einmal eingefahrenen Bahnen der Wahrnehmung, Empfindungen und Erkenntnis steckenbleiben will, muss den schwierigen Weg wählen und versuchen, sich schrittweise auf den Stufenleitern der Wahrnehmung, der Empfindung, der Erkenntnis und des Bewußtseins dem anzunähern, was ein menschliches Gehirn auszeichnet: die Fähigkeit sich selbst immer wieder neu in Frage zu stellen“.

 

Walter Schlögl, www.tao.co.at

 

Walter Schlögl, www.tao.co.at

 

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