TAO Unternehmensberatung

Buchrezension

Christian Felber, Deuticke, 2008.

Der Journalist, Autor und Mitbegründer von Attac Österreich geht in seinem Buch den dem Kapitalismus zugrundeliegenden Prämissen auf die Spur. Dazu zitiert er ökonomische Vordenker wie John Maynard Keynes, Friedrich von Hayek, Milton Friedman u.a. ebenso wie zeitgenössische Politiker, Unternehmer und Wirtschaftsführer.

In 9 Kapiteln stellt er sich der Frage, welchen Zielen die Wirtschaft eigentlich dienen soll und inwieweit der Kapitalismus als derzeit vorherrschende Wirtschaftsform allgemeingültigen breit getragenen gesellschaftlichen Werten gerecht wird bzw. wo er diese Werte einengt.

Im Vorwort des Buches stellt Christian Felber fest, dass der Kapitalismus bisher bereits viel kritisiert wurde, „… und er hat bisher jede Kritik überlebt. Seine Verteidiger haben stets zugegeben, dass er Ungleichheit schafft, die ökologischen Lebensgrundlagen angreift und nicht allen gleiche Chancen bietet. Doch welche Wirtschaftsform schafft höheren Wohlstand, welche ist effizienter, welche fördert Innovationen stärker und vor allem: Welche Wirtschaftsform bietet dem Individuum größere Freiheit?“

Und so stellt sich Felber zuallererst der Frage nach dem Grad an Freiheit, den der Kapitalismus schafft. Seine Schlussfolgerungen sind eher ernüchternd. Auch wenn im neoliberalen Kanon postuliert wird, dass es notwendig ist, die Freiheit eines Menschen zu beschränken, wenn dieser die Freiheit eines anderen einengt und dass den wirtschaftlichen Freiheiten klare Grenzen gesetzt werden müssen, um die persönliche und politische Freiheit zu wahren, so stellt sich doch bei genauerem Hinsehen sehr rasch heraus, dass die Rangreihe der Freiheiten in der Realität anders aussieht. Beispielsweise genießen in der EU Binnenmarktfreiheiten wie Kapitalverkehrs-, Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit einen Vorrang gegenüber den anderen Freiheiten wie dem Recht auf Gesundheit und intakten Lebensraum oder dem Recht auf Freiheit von Armut und sozialer Not. Auch die Welthandels-Organisation WTO stellt die Handelsrechte über alle anderen Rechte. Sie kann das auch unbeschadet tun, weil sie außerhalb der UNO angesiedelt wurde und damit keine Rücksicht auf Menschen- Arbeits- und Frauenrechte, Umweltschutz, Gesundheitsvorsorge oder Ernährungssicherheit nehmen muss. Klagen kann man in der WTO die Verletzung der eingegangenen Freihandelsverpflichtungen und die Verletzung geistiger Eigentumsrechte, nicht aber die Verletzung von Menschenrechten, Gesundheitsgefährdung, Zerstörung kultureller Vielfalt, Zerstörung von Lebensraum etc. Felber zitiert die hinlänglich bekannten Konsequenzen der einseitigen Durchsetzung von Wirtschaftsfreiheiten wie sinkende Reallöhne und wachsende Armut in Dritt- und Schwellenländern, grassierende Ausbeutung in Sonderwirtschaftszonen, Verarmung von Kleinbauern aufgrund des Freihandels mit Agrargütern und Umstellung auf industrielle Produktionsformen in der Landwirtschaft.

Felber geht in weiterer Folge dem Argument, dass der Kapitalismus auf machtfreien Tauschbeziehungen beruht und jeder Marktteilnehmer durch seine freie Nachfrage bzw. sein Angebot den Tauschwert bestimmt, nach. In Bezug auf Preisgestaltung am Arbeitsmarkt durch Angebot und Nachfrage stellt er vehement das Postulat der Freiheit in Abrede. Wer hat schon wirklich die Freiheit, auf einen Job zu verzichten, weil die Remuneration zu gering ist, wenn er/sie gleichzeitig von dem Entgelt sein/ihr Leben und das seiner/ihrer Familie fristen muss.

Felber geht auch der Frage nach, inwieweit das Konzept des Kapitalismus ein menschliches Grundbedürfnis nach Glück erfüllen kann. Er zitiert psychologische Forschungen, die sich weitgehend darin einig sind, dass eine der wichtigsten Voraussetzungen für menschliches Glück gelingende und erfüllende Beziehungen sind. Dem Konzept des Neokapitalismus unterstellt er, dass dieser die Beziehungen zugunsten einer Überbetonung des Wettbewerbs unterläuft.

Und damit wären wir bei einer wir bei einer weiteren Kernaussage des kapitalistischen Wirtschaftssystems, nämlich dass der Kapitalismus die Konkurrenz fördere und damit das Angebot für die Konsumenten erhöhe und verbessere. Felber begründet, warum das derzeitige Wirtschaftssystem eher eine Kumulation von Marktmacht begünstigt, weil das Interesse der global Player nicht darauf ausgelegt ist, Kunden zufrieden zu stellen, bessere Produkte zu entwickeln, zu produzieren und zu verkaufen, sondern weil das Interesse an höheren Renditen dazu führt, dass bessere Produktideen zurückgehalten werden, solange die alten Produkte noch verkaufbar sind. Neue Produkte, für die zwar ein großer Bedarf vorhanden ist, aber relativ geringe Kaufkraft vorliegt, werden einfach nicht entwickelt, obwohl sie gesellschaftlich wünschenswert wären – wie beispielsweise Medikamente für Massenkrankheiten, Lebensmittel für Staaten mit Hunger etc. Andererseits werden aber Produkte forciert, für die hohe Kaufkraft vorliegt, auch wenn diese Produkte gesellschaftlich bedenklich oder schädlich sind.

Nach und nach analysiert Felber zentrale gesellschaftliche Werte und untersucht den Einfluss des derzeit vorherrschenden ökonomischen Gedankengebäudes auf diese Werte: Leistung, Wettbewerbsfähigkeit, Chancengleichheit, Eigenverantwortung, soziale Verantwortung und ökologische Ethik.

Das letzte Kapitel beginnt Felber mit einem Zitat von John Maynard Keynes: „ … (der Kapitalismus) ist kein Erfolg. Er ist weder intelligent, noch schön, er ist weder gerecht noch tugendhaft – und außerdem funktioniert er nicht (…) Wenn wir allerdings darüber nachdenken, was wir an seine Stelle setzen, sind wir völlig ratlos.“ Felber legt in diesem Kapitel die Grundzüge einer Alternative sowohl zu Kommunismus wie auch zum Kapitalismus dar. Er wendet sich klar gegen die These von Marx und Engels, die privates Eigentum an Produktionsmitteln als gesellschaftlich schädlich abtaten und postuliert eine wirtschaftliche Freiheit, die mehr Freiheit und weniger Zwang für die Mehrheit bringt. Im Vordergrund seiner Überlegungen steht der Gedanke, dass Unternehmen, die etwas für das Gemeinwohl tun, wie z.B. eine höhere Beschäftigung sicherstellen (keine gewinnoptimierenden und börsenkursverbessernden Personalkürzungen), gerechtere (höhere) Löhne für Arbeitnehmer bezahlen, gesellschaftlich relevante Produkte erstellen etc. durch wirtschaftspolitische Instrumente gefördert werden sollten. Das Gewinnstreben als oberste Maxime sollte beschränkt werden und die sozialsten und am nachhaltigsten orientierten Unternehmen sollten den Wettbewerb gewinnen. Felber fordert auch, dass in den Unternehmen umso mehr Mitbestimmung stattfinden müsse, je größer die Unternehmen werden. Er plädiert für eine Umkehrung des derzeitigen Prinzips des sinkenden Aneignungswiderstandes – simpel formuliert ist es am schwierigsten, die erste Million zu verdienen, jede weitere Million ist dann leichter verdient. Felber tritt dafür ein, dass das wirtschaftspolitische Instrumentarium so ausgerichtet wird, dass ähnlich wie in der Natur negative (= stabilisierende) Rückkoppelungsschleifen zum Tragen kommen und einem grenzenlosen Wachstum Schranken setzen. In der Analogie zum Verdienen der ersten Million: es soll vielmehr leichter sein, die erste Million zu erwirtschaften, es soll dann aber zunehmend schwieriger werden, noch mehr Millionen zu scheffeln.

In Summe stellt das Buch von Christian Felber eine fundierte Kritik am derzeit vorherrschenden Wirtschaftssystem dar. Er verzichtet auf Polemik, bringt eine klare und verständlich formulierte Analyse der gegenwärtigen Zustände und zeigt Perspektiven auf, wie Wirtschaften auch funktionieren könnte. Im August dieses Jahres wird ein weiteres Buch von Christian Felber erscheinen, in dem er die Alternative der „Gemeinwohlökonomie“ noch vertiefender beschreiben wird.

In Summe eine spannende und nachdenklich stimmende Lektüre und aus unserer Sicht ein „must read“ für reflektierte und nachdenkliche Menschen. Wer sich darüber hinaus in die Thematik vertiefen möchte,  dem seien auch noch die beiden anderen Bände von Christian Felber empfohlen: Kooperation statt Konkurrenz – 10 Schritte aus der Krise und 50 Vorschläge für eine gerechtere Welt.

Peter Weissengruber, www.tao.co.at

 

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