TAO Unternehmensberatung

In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ist erstmals ein Begriff für ein Phänomen definiert worden, das insbesondere bei Menschen in helfenden Berufen gehäuft auftrat, die sich aufopferungsvoll - oft bis zur Selbstaufgabe - in Ihre Aufgaben hineinsteigerten. Wenn dieses Verhalten über längere Zeiträume angehalten hat und die Menschen längerfristig nicht auf ihre Ressourcen und Psychohygiene geachtet haben, kam es in Stress-Situationen zu Abwertungen und Zynismus

(das bekannte Phänomen bei Ärzten, die in Herrn Huber nur mehr die Niere von Zimmer 212 sehen), zu zunehmender sozialer Isolierung („ich habe keine Zeit für einen Plausch, ich muss ja etwas erledigen..."), zu Unzufriedenheit mit der eigenen Leistung gepaart mit einem Gefühl der Unzulänglichkeit, das letztendlich in einer Spirale von einem immer weiter gesteigerten Arbeitseinsatz bei steigender Unzufriedenheit und Isolation mündete. Letztendlich resultierte dieses Verhalten oft in Symptomen von Lustlosigkeit an der Arbeit und depressiver Verstimmung bis hin zu totaler Erschöpfung. Der Begriff, der dafür gefunden wurde, war „Burnout"

Mitte der 90er Jahre sprang dieser Begriff vom Sozialbereich auf den Wirtschaftssektor über. Zunehmender Druck in der Arbeit verbunden mit einem Gefühl der Unbewältigbarkeit der Aufgaben und einer zunehmenden sozialen Isolation führten auch im Wirtschaftsbereich zum verstärkten Auftreten neuer Phänomene. In den Blickpunkt des öffentlichen Interesses trat dies, als zunehmend mehr Arbeitnehmer mit unbestimmbaren Krankheitsbildern, psychischen Problemen und psychosomatischen Krankheitsbildern in Krankenstand gingen und sich der Anteil der psychischen Erkrankungen an den Gesamtkrankenständen dramatisch zu erhöhen begann.

Hier ein paar aktuelle Zahlen:

Im Jahr 2010 betrug die durchschnittliche Krankenstandsdauer in Österreich 11 Kalendertage. Bei psychischen Erkrankungen waren die Menschen hingegen 5 Mal so lange arbeitsunfähig - die durchschnittliche Krankenstandsdauer bei psychischen Erkrankungen lag bei 55 Kalendertagen.

70 % der Fehlzeiten lassen sich auf drei Ursachen zurückführen: psychische Erkrankungen, Atemwegsinfektionen und Muskel- und Skelett-Krankheiten.

Europaweit liegen ca. 22 - 25 % der Krankenstände psychischen Erkrankungen zugrunde, 40 - 45 % der Frühpensionierungen erfolgen aufgrund von psychischen Krankheitsbildern.

Die Fehlzeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen stiegen in den Jahren 2000 bis 2007 in Deutschland um 18 %. Die Erkrankungen mit unspezifischen Symptomen (und möglichen psychosomatischen Ursachen) stiegen im gleichen Zeitraum um 11 %, während die Anzahl der Fehltage aufgrund der klassischen Beschwerden zurückgingen: Herz-Kreislauf Diagnosen - 29 %, Erkrankungen des Atmungssystems - 17 %, Verletzungen - 5 %, Infektionskrankheiten - 3 %.

Die Ursachen für das Steigen der Fehlzeiten aufgrund psychischer und psychosomatischer Erkrankungen haben meist mehrfache Ursachen. Uns interessieren hier vorrangig diejenigen, die in den Dynamiken der Arbeitswelt begründet liegen:

  • der Zeitdruck und das Tempo steigen (Experten gehen davon aus, dass sich durchschnittlich alle 5 Jahre der Output um ca. 20 % erhöht)
  • die Komplexität der Aufgaben und die Innovationshäufigkeit in den Organisationen steigen, Entwicklungs- und Produktlebenszyklen werden kürzer
  • die (nicht mehr ganz so neuen) Informationstechnologien prägen den Arbeitsalltag und überfluten uns mit einer Überfülle an Informationen
  • die Sicherheit, den eigenen Arbeitsplatz auch in schwieriger werdenden Situationen oder im Alter oder im Krankheitsfall behalten zu können, sinkt bei den Arbeitnehmern
  • die für Aus- und Weiterbildungen im betrieblichen Kontext aufgewendete Zeit nimmt ab oder Fortbildungen werden auf die Freizeiten verlagert. Einerseits fällt die Weiterbildung fällt dem Rechenstift zum Opfer. Andererseits müssen Zeiten eingespart werden, weil die durch Weiterbildung ausfallende Zeit von anderen KollegInnen kompensiert werden müsste, die es in der (schlanken) Organisation aber nicht mehr gibt
  • Untersuchungen zeigen, dass die Arbeitszufriedenheit - und auch die Verbindung mit und die Loyalität zu den Unternehmen - kontinuierlich im Sinken begriffen ist.

Studien haben ergeben, dass folgende Themenfelder als die Top 5 Belastungen im Arbeitsleben gesehen werden:

  • Geringe Handlungsspielräume und sinkende oder nicht mehr vorhandene kreative Spielräume: es steht keine Zeit mehr zum Reflektieren, zum Ausprobieren und Experimentieren zur Verfügung
  • Schlechte Arbeitsorganisation und Zeitdruck: Wenn erwartet wird, dass mehrere Dinge gleichzeitig erledigt werden und Druck auf noch schnellere Fertigstellung ausgeübt wird, steigen der Stress und damit das Erkrankungsrisiko. Interessanterweise wurde herausgefunden, dass eine Berufsgruppe, die mit hoher Geschwindigkeit arbeiten muss, nämlich Supermarkt-Kassiererinnen, trotzdem nicht so stark krankheitsgefährdet ist, weil die Aufgabe bewältigbar ist und sie sich auf ein Thema konzentrieren können: schnelles Kassieren. Fazit: Hochleistung und Geschwindigkeit an sich machen NICHT KRANK!
  • Schlechtes Führungsverhalten der Vorgesetzten und schwierige soziale Beziehungen (Stichwort Mobbing)
  • Belastende Arbeitsumgebung durch Lärm, Hitze, Kälte
  • Emotionalen Stress durch Arbeitsplatzunsicherheit.

Neben den arbeitsinhärenten Belastungen werden auch die Ansprüche der Menschen an sich selbst immer höher. Die Fülle der Angebote an Freizeitmöglichkeiten, Konsumgütern, Unterhaltungsmedien etc. übersteigt bei weitem die Möglichkeit der Nutzung. Eine neue Art von Stress tut sich auf - welche Angebote nehme ich an oder wie kann ich möglichst viel gleichzeitig konsumieren. Eine spannende persönliche Erfahrung machte ich mit einem Aupair Mädchen aus Afrika, die in ihrer ersten Arbeitswoche jeden Morgen völlig unausgeschlafen und über Kopfweh klagend ihren „Dienst" antrat. Als wir sie fragten, ob ihr etwas fehle oder ob sie krank sei, hat sie erzählt, dass sie nicht zum Schlafen kommt, weil sie all die neuen Möglichkeiten ausschöpfen will - immer als sie in ihr Zimmer ging, hat sie den Fernseher aufgedreht, dazu den CD Player in Betrieb genommen und sich ins Internet eingeklickt ... Die Möglichkeit auf Verzicht und Konzentration auf eines der Medien ist ihr nicht im geringsten in den Sinn gekommen.

Eine dritte Einflussgröße für Burnout liegt in Belastungen im Beziehungsgefüge. Wenn Menschen zusätzlich zu Arbeitsbelastung noch emotionalen Stress aufgrund von schwierigen Beziehungen haben, erhöht sich die Burnout-Wahrscheinlichkeit dramatisch. Sei das schulische Sorgen mit Kindern, Obsorge- und Pflegeprobleme mit den eigenen Eltern, Beziehungskrisen, Tod eines nahen Angehörigen etc.

Und eine vierte Determinante, die auf das Burnout Risiko wirkt, liegt in den persönlichen Lebensumständen, von der Ernährung über die körperliche Bewegung bis hin zu ausreichend Schlaf. So berichten beispielsweise Lehrer, dass der Unterricht an Montagen in Oberstufenklassen zunehmend schwieriger wird, weil die Kids vom Wochenende völlig übermüdet in die Schule zurückkommen.

Jede einzelne dieser Belastungen ist vom menschlichen Organismus und der Psyche verkraftbar, problematisch wird es nur in der Kombination.

Will man(n)/frau präventiv gegen Burnout vorsorgen, so gilt es, auf der individuellen Seite verstärkt auf die persönlichen Ressourcen zu achten und in diesen 4 angesprochenen Themenfeldern eine Balance herzustellen und für ausreichend Regenerationszeit zu sorgen. Sozialer Zusammenhalt, Solidarität , gegenseitige Hilfe und füreinander Einspringen puffern Druck ab und helfen so auch vorzubeugen.

Aus organisatorischer Sicht sind die wesentlichsten Punkte das Achten auf eine ausgewogene Fairness, auf eine Balance von Geben und Nehmen (Anforderungen, Freiräume, ...), die Beachtung der (legitimen) Interessen der Mitarbeitenden, ausreichende Information und Einbindung, Mitgestaltung und Partizipation. Wenn für ArbeitnehmerInnen der psychologische Arbeitsvertrag ausgewogen ist, das Verhältnis von dem, was zu geben ist und dem was als Gegenleistung (materiell und immateriell) zurückkommt, stimmt, dann kann sich eine gesundheitserhaltende Zufriedenheit einstellen.

In diesem Zusammenhang sei noch auf ein anderes Phänomen hingewiesen. Burnout ist ja durchaus gesellschaftsfähig. Dies findet sich auch in Karikaturen wieder wie z.B. in dem Cartoon, wo eine Ehefrau ihren Mann mit den Worten bedrängt: „Jeder erfolgreiche Mann hat ein Burnout, nur du noch nicht ...!"

Es gibt aber auch das Gegenteil, und auch dafür wurde ein Name gefunden - der Boreout. Vorsicht vor dem ersten Eindruck. Wer jetzt meint, das sei ein Phänomen, das nur grundsätzlich faule Menschen betrifft, der irrt gewaltig. Das Boreout ist ein durchaus organisationsrelevantes Problem: durch chronische Unterforderung langweilen sich Mitarbeiter buchstäblich zu Tode. Die Symptome sind durchaus mit denen des Burnout zu vergleichen.

Interessant am Boreout ist die Dynamik, wie es dazu kommt und in welche Verhaltensfallen davon betroffene Menschen hineintappen. Ausgangspunkt des Boreouts ist in der Regel eine (chronische) Unterforderung. Hochkompetente Mitarbeiter, die durchaus anspruchsvollere Arbeiten erledigen könnten, werden auf Routinetätigkeiten reduziert. Der erste Impuls mag ja noch sein, dass das als angenehm empfunden wird, weil man sich im Job etwas ausruhen und regenerieren kann. Aber nach nicht allzu langer Zeit kommt ein Gefühl des schlechten Gewissens hoch, und auch die Sorge, dass das beschränkte Leistungsniveau von den Vorgesetzten bemerkt werden könnte. Dies führt dazu, dass die zu verrichtende Arbeit entweder etwas „gestreckt" wird, d.h. dass etwas genauer und ausführlicher daran gearbeitet wird als wirklich notwendig wäre oder aber dass nach außen hin eine der Arbeit mit einer der Wirklichkeit nicht entsprechenden Schwierigkeit kommuniziert wird.

Während noch so getan wird, als wäre die Arbeit schwierig und zeitaufwändig stellt sich darüber hinaus noch die Langeweile ein, die letztendlich in einem völligen Desinteresse an den übertragenen Aufgaben mündet.

Boreout ist die systemische Schwester des Burnout: denn wenn es auf der einen Seite Menschen gibt, die immer weniger arbeiten und immer mehr so tun als ob sie etwas erledigen würden, muss es auf der anderen Seite auch die echten Leistungsträger geben, die das kompensieren ... und möglicherweise vom Ausbrennen bedroht sind. Während auf der einen Seite die Arbeit immer weniger wird, kumuliert sie sich auf der anderen Seite bei einigen wenigen ... oder auch anders herum. Wenn sich in einer Organisation die Arbeiten bei einigen wenigen Menschen türmen und diese immer unentbehrlicher werden, dann kann man davon ausgehen, dass auf der anderen Seite des betrieblichen Universums Menschen sind, denen Arbeit entzogen wird ... Eine ungewöhnliche, möglicherweise spannende aber letztendlich besorgniserregende Sichtweise!

Wenn diese drei Ingredienzien Unterforderung, Desinteresse und Langeweile auf längere Zeit hinweg zusammentreffen beginnt die Spirale des Boreout.

Der erste Teil davon ist das oben beschriebene „So-tun-als-ob-man-viel-wichtige-Arbeit- zu-erledigen-hätte". Parallel dazu beginnt durch die Unterforderung das Selbstbewusstsein und das Zutrauen, auch schwierige Arbeiten erledigen zu können, zu sinken. Damit einher geht ein Sinken der Selbstachtung, Zynismus und Abwertung greifen um sich und die Spirale beginnt sich zu drehen. Da die zu erledigende Arbeit nicht tagesfüllend ist und definitiv ausreichend Zeit vorhanden ist, beginnen die davon Betroffenen nun, Strategien zu entwickeln, wie einerseits vertuscht werden kann, dass sie zu wenig Arbeit haben und andererseits alles zu tun um zu verhindern, dass sie mehr Arbeit bekommen könnten.

Die Heilung der Krankheit bzw. die Lösung des Problems wäre eigentlich ganz einfach: gib den Menschen eine herausfordernde Arbeit und lass sie ein Erfolgserlebnis haben. Aber genau das versuchen die Betroffenen mit aller Gewalt zu verhindern - und sacken damit noch viel tiefer in den Boreout Strudel hinein.

Boreout ist ein ebenso ernst zu nehmendes psychisches Problem wie Burnout. In beiden Fällen liegt die alleinige Verantwortung weder bei den Unternehmen noch bei den Betroffenen selbst, sondern beide, die Organisation und das Individuum müssen sich dafür zuständig erklären. Das Individuum durch die Übernahme von Eigenverantwortung und Mut - indem die Person deklariert, wenn sie arbeitsmäßig unterfordert und gelangweilt ist und indem sie gegebenenfalls die Entscheidung trifft, sich zu verändern. Die Organisation, vertreten durch die Führungskräfte, muss die tatsächliche Arbeitslast und Aufgabenerledigung monitoren. Gelingen tut dies, indem Führungskräfte mit Ihren MitarbeiterInnen in Kontakt sind und regelmäßige Feedback-Prozesse initiieren, in denen über Qualität und Quantität der Arbeitsprozesse, die erreichten Ergebnisse und die Qualität der Arbeitsbeziehungen gesprochen wird.

Antworten darauf, wie Boreout einerseits präventiv verhindert werden kann bzw. wie er diagnostiziert und korrigiert werden kann, finden Sie auch in einer unserer Buchrezensionen: Diagnose Boreout (Rothlin/Werder).

Peter Weissengruber, www.tao.co.at

 

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