Buchrezension

Philippe Rothlin/ Peter R. Werder, Verlag Redline, 2007

Ein sehr leicht zu lesendes Buch, das das Phänomen „Boreout" sehr anschaulich darstellt, wurde von den Schweizern Philippe Rothlin und Peter R. Werder verfasst: „Diagnose Boreout - Warum Unterforderung im Job krank macht". Sie beschreiben die Gesetzmäßigkeiten, die zu Boreout führen und stellen fest, dass Arbeitnehmer, die an diesem Phänomen leiden, nicht eine Charakterschwäche haben, sondern dass sie von den Organisationssystemen systematisch faul gemacht worden sind.

Um die Dynamiken des Boreout zu illustrieren, lassen sie eine fiktive Person Alex in dem Buch zu Wort kommen, der seine Erlebnisse und Seelenzustände schildert - spannend, lustig, ironisch oder manchmal auch nur traurig.

Sehr viel Platz räumen sie der Beschreibung der Boreout-Strategien ein. Was tun Menschen, die sich im Job langweilen, um das kontinuierlich zu vertuschen. In der Komprimierungsstrategie arbeiten sie komprimiert an dem übertragenen Thema und schlagen sich dann die Zeit tot und kommunizieren gleichzeitig eine Arbeitsbelastung, die über die vorgegebene Deadline hinausreicht. Im letzten Moment haben sie es dann doch noch geschafft (obwohl der Job in Wirklichkeit längst erledigt war). Bei der Flachwalzstrategie wird die vorhandene Arbeitsmenge einfach „flachgewalzt" - wie ein Keksteig so lange geplättet, bis er die zu füllende Zeitstrecke bis zum Abgabetermin tatsächlich füllt. Besonders kreativ ist dann die strategische Verhinderungsstrategie: der Arbeitnehmer hat etwa den Auftrag, mit einem Kollegen in Kontakt zu treten, um ein Projekt voranzutreiben. Da er dazu aber keine Lust hat, möchte er den Zeitpunkt dazu hinausschieben. Dies geht ganz einfach, indem man (Outlook sei Dank!) herausfindet, wann der Kollege in einem Meeting sitzt und genau zu diesem Zeitpunkt anruft und eine voicemail hinterlässt. Oder aber, indem man einem Kunden am Freitagnachmittag eine Mail schreibt und als letzten Satz anfügt „für Fragen oder Änderungsvorschläge bin ich heute ab 17.00 für Sie erreichbar". Dies fördert das Image des Vielarbeiters bei einer gleichzeitig hohen Wahrscheinlichkeit, dass der angemailte Kunde am Freitag um 17.00 bereits Feierabend hat. Bei der H-O-L Strategie (Home Office Link) demonstriert der Arbeitnehmer, dass ihm die Arbeit so wichtig ist, dass er sie sogar mit nach Hause nimmt - um sie dort ebenfalls liegen zu lassen.

Als Ursache für dieses kuriose Verhalten beschreiben sie das Boreout-Paradoxon, das die Betroffenen immer tiefer in ein widersprüchliches Verhältnis zur Arbeit und in einen Teufelskreis von Unzufriedenheit, Nichtstun und konservierendem strategischem Verhalten und daraus resultierender steigender Unzufriedenheit verstrickt. Die Vorstellung, es sei schön, bei der Arbeit nichts zu tun und eine „ruhige Kugel zu schieben" ist zwar scheinbar wünschenswert und durchaus auch populär, aber die Momente der Langeweile sind ungleich frustrierender und schwieriger zu ertragen als Herausforderungen und auch ein wenig Stress. Dies vor allem deswegen, weil nicht nur andere durch die Boreout Strategien betrogen werden, sondern letztendlich ich mich damit auch selbst betrüge (n muss), um meine kognitiven Dissonanzen in Griff zu bekommen. Und dies führt zum Verlust der Selbstachtung und zu einer letztendlich krankmachenden Selbstverleugnung.

Abgerundet wird das gut lesbare Buch noch von Symptomen des Boreout und wie sich solche Dynamiken in der Organisation beobachten und diagnostizieren lassen. Je weiter weg ein Arbeitsprozess von der direkten Leistungserstellung ist, je weniger der Betroffene die Kundenbedürfnisse kennt und seinen Leistungsbeitrag zum (Gesamt)Ergebnis, zum Produkt oder zur Problemlösung identifizieren kann, desto höher ist das Risiko. Manchmal liest sich das Buch etwas flapsig und flach, andererseits sind die dargestellten Sachverhalte aber oftmals auch so banal wie sie beschrieben sind - und wir alle haben solche und ähnliche Verhaltensweisen auch schon erlebt und gesehen, aber vielleicht bisher anders konnotiert. In Summe ein durchaus lesenswertes Buch, das einen anderen Blickwinkel auf die Verhaltensweisen mancher MitarbeiterInnen und KollegInnen gestattet.

Peter Weissengruber, www.tao.co.at

 

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